Erfahrungen von Betroffenen

J‘accuse

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Ich klage an, Ihr alle tragt Verantwortung, wenn das System nicht funktioniert, dann sollte ihr es endlich ändern, anstatt den Frust an kranken und behinderten Menschen auszulassen.

August 2021 ich verlasse während eines Opiatentzugs (ohne psychologische Betreuung) von medizinisch verordneten Medikamenten die Klink, weil im Nebenzimmer ein Besucher ausrastet und vier Pflegekräfte diesen nichthalte können, aus dem Badezimmer rufe ich die Polizei.

Keine Psychologin oder Ärztin vor Ort, die da sind, um mich zu beruhigen. Ich habe bereits Gewalterfahrungen. Im Gegenteil, die diensthabende Ärztin versteht mich, dass ich sofort nach Hause möchte und bestellt einen Transport.

Später steht im medizinischen Bericht eine Anpassungsstörung, obwohl die Psychologin nicht da war, keine Zeit hatte, Termine doppelt belegt waren mit Patienten. Das diese Diagnose falsch ist, weiß ich, den der Psychiater sagte es mit. Eine Anpassungstörung haben alle, die nicht akzeptieren, was ihnen passiert ist, die nicht ruhig werden und Lärm machen. Man diagnostiziert sie in der Regel nach einem Unfall, einem Todesfall oder bei Arbeitsplatzverluste.

Da es sich um eine Psychologin handelte, die ich kannte aus Schmerzgruppen auf der Station, in denen sie Wut der Patienten auf Sozialhilfeempfänger schürt und sagte, dass es sehr viel Betrug gibt beim Amt, legte ich keinen Wert darauf.

Ich kann die drei Tage vorher kaum vor die Tür, ich bekomme gegen die Extremen Entzugsbeschwerden Clonidin einen Blutdrucksenker und habe bereits niedrigen Blutdruck, eine Mitpatientin hilft mir, sie hat selbst leichten Schwindel. Davon wird später nichts im Bericht der Klink stehen.

Die Klink will Traumatherapeuten vermitteln, damit ich die Gewalttat an mir im Berliner Bus verarbeite. Auch das passiert nicht. Der falsche Bericht wird nie korrigiert.

Ich leide unter Schwindel -extremen Drehschwindel, Schwankungsschwindel, Lagerungsschwindel , Diagnose Vestibuläre Migräne, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Lärmempfindlichkeit und habe ein chronisches Ganzkörperschmerzsyndrom (Hände, Arme, Beine, rücken, alles tut jeden Tag weh)Erbrechen, Sprachstörungen, Sehstörungen bei Migräne und auch außerhalb der Migräne. Die entschieden Schmerzen auszuhalten, anstatt sediert zu sein ist nicht leicht, aber man fühlt sich besser. Es sind mir viele Betroffene begegnet die zugestopft mit Psychopharmaka und Opiatem. Sie vegetieren. Sie sollen aktiv werden durch Opiate, liegen aber den ganzen Tag im Bett und rauchen einen Joint.

Die Nachbarin selbst krank, Frührentnerin, total überlastet durch die Pflege ihrer Mutter, hilft mir. Ich muss zum Arzt, ich bekomme keinen Transport bezahlt, ich lebe am Existenzminimum, ich schleppe mich am Rollator zum Bus, was mit Drehschwindel kaum möglich ist. Jedes Mal muss ich Angst haben mich wieder zu verletzten, ich hatte bereits vier Knochenbrüche, ich habe medikamenteninduzierte Osteoporose.( Ich darf nicht mehr Tango tanzen und nicht joggen).

Die Leute im Bus halten mich von beiden Seiten fest. Beim Arzt angekommen vor der Tür, nächste Hürde. Es gibt einen Fahrstuhl, der nur mit Schlüssel geöffnet werden kann , den Schlüssel muss jemand holen, ich habe keine Begleitung an diesem Tag. Ich möchte nicht betteln, mein Vater will das Taxi zahlen, ich möchte unabhängig als behinderter Mensch sein, ich möchte keine Almosen, ich möchte mein Recht in diesem Land durchsetzen. Und wer zahlt das, wenn der Vater nicht mehr da ist?

Unten vor dem Haus des Arztes steht schon ein Mann am Rollator, der nicht sprechen kann. Der Transportdienst hat ihn dort abgestellt. Niemand hat dafür gesorgt, dass der Mann vermutlich mit Schlaganfall beim Arzt ordentlich ankommt.

Ich versuche in der Praxis anzurufen, das jemand kommt und hilft. Es ist wie immer besetzt. Dieser Arzt ist ein Mensch, daher kommen immer mehr aus ganz Berlin zu ihm, weil viele Ärzte nicht mehr ordentlich ihre Arbeit machen. Mir ist schlecht, es dreht sich, ich kann mich kaum Orientierung. Irgendwann gilt dem Mann und mir jemand fremdes. Der Arzt schimpft, dass ich in diesem Zustand wieder alleine gekommen bin, wie oft zuvor ohne. Ich bekomme im Arztzimmer eine Panikattacke, wie so oft, wenn ich zu Ärzten gehe, bekomme ich Panik, obwohl ich diesen Arzt Jahre kenne und ihm absolut vertraue.

Seit 2018/2019 läuft ein Antrag beim Versorgungsamt, auf Merkzeichen G und B. Seit meinem schweren Unfall. Die Neurologin sagte mir, wenn sie sowieso niemand zur Begleitung haben, dann brauchen sie auch kein b.

Die Frist von Gericht läuft aus. Am Mittwoch sagte mir die Ärztin zu, dass ich ein Schreiben bekomme, es ist nicht da. Und jammert, dass sie das nach der Arbeit machen müsse. Mein Hausarzt sitzt jeden Abend in der Praxis und schreibt Atteste, damit seine Patienten gut versorgt werden.Leider benötige ich von einer anderen Ärztin Hilfe, die nicht länger bleibt. Mein Hausarzt und Schmerztherapeut hat zwei kleine Kinder, arbeitet am Limit seit Jahren, trotzdem lässt er das nie seine Patienten spüren.

Ich wende mich nun an die Ärztekammer, an die Presse, an Parteien und hoffe, dass irgendjemand in diesem Land bereit ist Verantwortung zu übernehmen und seine Arbeit zu machen.

Es ist essentiell, dass Ärzte in Ihrer Ausbildung lernen, wie ein Attest für das Versorgungsamt auszusehen hat. Bitte wenden Sie sich an meinen Hausarzt, denn er ist der einzige, der weiß wie das geht oder einfacher, googlen, der VDK hat genug dazu veröffentlicht  oder einfach mich fragen, gebe Nachhilfe in der migränefreien Zeit.  Oh, dass darf man nicht sagen, dass man noch tippen kann, trotz Schmerzen, dann ist man ja schon arbeitsfähig.

Ups, halt die Klappe.

Man könnte tatsächlich weiter arbeiten, wenn man Unterstützung bekäme, anstatt Pillen.

Selbst wenn all das tippen nicht hilft, befreit es meine Seele ungemein.

Susann Schidlowski